In vielen Beziehungen scheinen die oberflächlichen Gründe für Konflikte offensichtlich zu sein: Streitigkeiten über Kleinigkeiten, mangelnde Wertschätzung, Eifersucht oder Vertrauensbruch. Doch in meiner Praxis erlebe ich immer wieder, dass diese Konflikte oft nur die Spitze des Eisbergs sind.

Beziehungsprobleme: Mehr als nur Streit

Wenn wir tiefer graben, stellen wir fest, dass viele dieser Streitigkeiten nicht wirklich um den Inhalt gehen, sondern vielmehr darum, wer Recht hat und wer die Welt richtig sieht. Der Reiz des Andersseins, der zu Beginn der Beziehung bestand, verblasst im Laufe der Zeit, und stattdessen beginnen sich Partner in ihrem Anderssein gegenseitig als Bedrohung zu empfinden.

Warum sehen die Partner das Anderssein gegenseitig als Bedrohung?

Das Anderssein des Partners wird oft als Bedrohung empfunden, weil es unsere eigene Identität und Sicherheit in Frage stellt. Anfangs mögen wir die Unterschiede schätzen und als Bereicherung empfinden. Doch im Laufe der Zeit können diese Unterschiede zu Konfliktpunkten werden, da sie unsere eigenen Überzeugungen und Werte herausfordern. Wir haben oft das Bedürfnis, dass unser Partner so denkt und handelt wie wir, um uns bestätigt und verstanden zu fühlen. Wenn dies nicht der Fall ist, interpretieren wir das Anderssein als Zeichen dafür, dass unsere Bedürfnisse und Wünsche nicht ausreichend respektiert werden.

Dies kann sich auf verschiedene Weisen äußern, zum Beispiel durch:

Kritik und Abwertung des Partners für seine Meinungen und Handlungen.
Das Gefühl, dass der Partner uns nicht versteht oder unterstützt.
Das Verlangen, den Partner zu ändern, um besser mit unseren eigenen Erwartungen übereinzustimmen.
Das Gefühl, dass wir uns in Gegenwart des Partners verstellen müssen, um akzeptiert zu werden.

Leitsätze und ihre Folgen in Beziehungen

Die Folge davon ist, dass oft subtil ausgedrückt wird: „So wie ich bin, bin ich nicht richtig; ich müsste anders sein, damit die Beziehung besser funktioniert.“ Diese Selbstzweifel können zu tiefgreifenden Kränkungen führen, in denen sich Partner nicht mehr akzeptiert und geliebt fühlen.

Diese Kränkungen manifestieren sich oft in Leitsätzen wie „Ich reiche nicht“ oder „Ich bin nicht richtig, nicht liebenswert“. Diese negativen Überzeugungen oder Leitsätze tendieren dazu, sich im Laufe der Zeit zu selbsterfüllenden Prophezeiungen zu entwickeln, auch wenn die Menschen sich eigentlich nach dem Gegenteil sehnen.

Selbsterfüllende Prophezeiungen und die Rolle der Leitsätze

Selbsterfüllende Prophezeiungen sind Überzeugungen, die sich durch unser Verhalten und unsere Handlungen selbst bestätigen. In Beziehungen können negative Überzeugungen wie „Ich bin nicht richtig“ oder „Ich reiche nicht aus“ zu Verhaltensweisen führen, die diese Überzeugungen tatsächlich bestätigen.

Wenn zum Beispiel jemand fest davon überzeugt ist, dass er nicht liebenswert ist, kann dies zu einem Verhalten führen, das dazu führt, dass er tatsächlich weniger Liebe und Bestätigung von seinem Partner erhält. Vielleicht zieht er sich zurück, vermeidet Intimität oder zeigt sich passiv-aggressiv, was zu einer Distanzierung und Entfremdung in der Beziehung führt.

Diese Leitsätze sind oft in der Kindheit entstanden und werden in Beziehungen immer wieder getriggert, insbesondere in Momenten von Konflikten oder Unsicherheit.

In diesem Zyklus des Selbstzweifels und der gegenseitigen Entfremdung wird es immer schwieriger, Konflikte auf einer sachlichen, inhaltlichen Ebene zu lösen. Es entsteht ein Teufelskreis, der die Beziehung weiter belastet und letztendlich zum Scheitern führen kann.

Daher ist es entscheidend, diese tiefgreifenden Leitsätze zu verstehen, anzugehen und eine Atmosphäre von gegenseitigem Respekt, Achtung und Vertrauen zu schaffen. Nur so können Beziehungen langfristig aufblühen und gedeihen.

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