Entdecke, wie Leitsätze wie 'Ich reiche nicht' oder 'Ich genüge nicht' Dich beeinflussen können. In diesem Beitrag erklärt unser Experte und Diplom-Psychologe Ulrich Wilken, warum ein Blick in Deine eigene Geschichte Dir helfen kann, Deine inneren Leitsätze besser zu verstehen. Lerne, warum Veränderungen bedrohlich wirken können und warum Vertrauen in Deinem Leben eine so große Rolle spielt.

1. Leitsätze, Wahrnehmungen und Geschichten

2. Wiederkehrende Muster in Beziehungen

3. Veränderung kann schwierig sein

4. Vertrauen

5. Der Kreislauf der Leitsätze

6. Aufgelöste Probleme

7. Du hast es in Deiner Hand

1. Leitsätze, Wahrnehmungen und Geschichten

Leitsätze sind Überzeugungen (in Form von Sätzen), die uns häufig seit unser Kindheit begleiten. Es gibt positive und negative Leitsätze. Ein anderes Wort für sie ist "Glaubenssätze".

Wir betrachten zuerst die negativen Leitsätze. Sie können uns behindern und machen Veränderungen schwer. Wir alle haben sie. Aber wo kommen sie her?

Ich nehme alles durch den Filter meiner Geschichte wahr. Ich habe eine Vorstellung von der Welt und nehme alles, was passiert, entsprechend wahr und ordne es in diese "Story" ein. Wenn ich über meine Wahrnehmung berichte, erzähle ich auch immer ein Stück meiner Geschichte. Wir haben gar keinen Zugang zu einer objektiven Wirklichkeit, sondern sehen alles im Zusammenhang mit dem, was wir schon erlebt haben.

 2. Wiederkehrende Muster in Beziehungen

Unzufriedenheit, Eifersucht, Trennungs- und Bindungsängste, Ängste vor dem Alleinsein, davor den Partner zu verlieren, bis hin zu Depressionen und zum Burnout. All diese Phänomene können Folgen von zerstörerischen Mustern sein, die wir im Leben erlernt haben. Wenn wir diese nicht auflösen können, werden sie zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Ich gerate dann zum Beispiel immer wieder in die gleiche Art von Beziehung.

Menschen mit Narzisstischer Persönlichkeitsstörung sind ein extremes Beispiel. Viele von ihnen haben Erfahrungen gemacht, die durch Ohnmacht gekennzeichnet sind und können daher ihr eigenes Verhalten besonders schwer reflektieren. Weil wir alle ungern uns selbst reflektieren, sondern die Schuld bei anderen suchen, ist aktive Veränderung so schwer. Wo es doch auf der rein "sachlichen Ebene" so einfach logisch erscheint, was wir anders machen sollten.

Schaffen wir es letztlich doch, Probleme zu lösen, geht der Gang der Geschichte weiter. Endlich werden wir wieder handlungsfähig. Plötzlich entstehen neue Handlungsperspektiven, beziehungsweise wir nehmen sie erst jetzt wahr. Doch viele Schwierigkeiten, Streitereien und Ängste vor Trennung und emotionaler Abhängigkeit lösen sich nicht auf. Selbst nach intensiven Gesprächen, Mediationen, Coachings, Analysen oder pragmatischen Zielsetzungen lassen sie sich schwer beheben. Weil unsere Leitsätze darunter noch immer die gleichen sind.

3. Warum ist Veränderung so schwierig?

Wie kann das alles sein? Warum gelingt es häufig selbst den klügsten Menschen nicht, sich mit Hilfe ihres Verstandes aus schwierigen Situationen zu befreien und neue Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln?

Rein kognitiv betrachtet wissen doch die meisten Menschen, was sie morgen anders machen möchten oder sollten. Dennoch tun wir morgen wieder das gleiche wie gestern.

These: Die emotionale Verstrickung in die eigene Geschichte verhindert den Prozess der Entwicklung. Frei nach dem Motto:

Lieber das bekannte Unglück, als das unbekannte Glück

Die problemgefüllte Inszenierung mag sich auf der Bühne des Lebens scheinbar verändern. Wir geraten immerhin mit immer anderen Menschen und an immer anderen Orten in Schwierigkeiten. Aber das ist nur eine Verschiebung der Kulissen. Der Handlungsstrang, das Thema und die Regie bleiben meistens dieselben. Durch ständige oberflächliche Veränderungen unserer Umstände bleibt es schwer, Wiederholung alter Muster zu erkennen.

4. Vertrauen

Ein häufiger Leitsatz, der viel zu lang aufrecht erhalten wird, ist: Veränderung ist bedrohlich.

Veränderung braucht Vertrauen, auch in die Ungewissheit. Vertrauen in mich selbst und andere ist somit die Grundvoraussetzung, dass menschliches Miteinander funktionieren kann.

Ohne Vertrauen sind Entwicklung, Kommunikation und Respekt nicht möglich.

Warum? Nun, ich muss darauf vertrauen können, dass wenn ich mich für einen Weg oder eine Seite entscheide, die "Welt nicht untergeht". Ich muss nicht zwangsweise einen Liebesentzug erwarten, nur weil ich mich inmitten von Ungewissheit für etwas bestimmtes entschieden habe.

Wenn Menschen in dieser Hinsicht aber in der Vergangenheit enttäuscht wurden - wie können sie dann Vertrauen in die bedingungslose Liebe haben? Wenn Menschen nie gelernt haben, eine eigene Position zu beziehen (weil sie dann beispielsweise mit Ablehnung von den Eltern rechnen mussten), wie kann man dann erwarten, dass sie sich als Erwachsene klar positionieren? Oder ihre eigene Meinung einmal fundiert (und nicht aus Prinzip) überdenken? Wie sollen dann Respekt und Toleranz wachsen? 

Wenn man in seiner Kindheit nicht gelernt hat, dass man anerkannt, wertgeschätzt und geliebt wird für das, was man ist, kann kein Vertrauen entstehen, dass man richtig und liebenswert ist. Viele uns haben leider diese negativen Erfahrungen der Ablehnung bei Eltern, Großeltern, Geschwistern, Peergroups, Freunden oder intimen Beziehungen gemacht.

5. Der Kreislauf der Leitsätze

Wenn man sich nicht bedingungslos geliebt gefühlt und somit wenig Vertrauen in sich selbst hat, bilden sich – das ist hier die These – entsprechende negative Leitsätze aus. Ich bin so überzeugt von diesen Glaubenssätzen, dass ich unbewusst immer wieder nach ihrer Bestätigung suche. Dort heraus zu kommen, ist schwer, denn: Auch Leid schafft Sicherheit, Beständigkeit und damit Identität – leidvolle Identität.

Deswegen ist Veränderung so schwierig. Die Menschen sind in der Regel nicht zu dumm, Alternativen für ihr Verhalten zu finden. Vielmehr ist die Alternative häufig mit Ungewissheit verbunden. Ganze Identitätsgefühle können sich durch sie ändern. Daher erscheint diese Veränderung heikel und bedrohlich. Gründe für ein Verharren findet man immer: Man würde ja gerne, aber die/die andere lässt es nicht zu. Die Umstände sind nicht entsprechend. Man hat schon alles versucht usw. Der Blick auf einen selbst bleibt verstellt.  

Da Veränderung heikel ist, ist auch die zu ihr führende Reflexion mit Angst verbunden. Echte Problemlösungen würden Selbstreflexion voraussetzen. Dazu braucht man wiederum Vertrauen usw. Ein Teufelskreis ist entstanden. Die Erfahrung wiederholt sich und bahnt sich sogar auf neuronaler Ebene in eine feste Form.

Wir sehen uns oft als "Opfer der Umstände". Wenn wir aber dieses Gefühl von Fremdbestimmtheit und Ohnmacht loswerden, entsteht eine Wahlfreiheit. Sie ist Grundvoraussetzung für echte Freiheit und Wohlbefinden. Kann auf Dauer keine Wahlfreiheit gelebt werden, ist das Burn-Out oft die letzte Chance des Unbewussten. Es zieht einfach den Stecker. Das Unterbewusstsein inszeniert eine Unterbrechung des leidvollen Musters. Nichts geht mehr. Oft werden wir dann erst durch dieses leidvolle Erleben auf die Frage geworfen: Kann es so weiter gehen?

Meist kann es nicht mehr so weiter gehen, doch der Preis, etwas zu ändern, ist oftmals hoch. Zum Beispiel könnte eine Trennung nötig sein oder eine komplette Veränderung der eigenen Reaktionen. Das gleiche, was sich in Familien und Paarbeziehungen abspielt, kommt übrigens auf im Arbeitsleben vor. Bei alledem ist zu bedenken, dass Probleme nicht an sich da draußen existieren. Probleme fangen erst dann an zu existieren, wenn man entweder zu sich selbst oder zu jemand anderen sagt, dass einem etwas (aus Grund XY) nicht gefällt. Probleme sind der Ausdruck einer Differenz. Ein gutes Beispiel ist Regen. Ob ich mich über ihn freue oder nicht, hängt nur von meiner Situation und Wahrnehmung ab.

Dieses Treffen einer Unterscheidung ist immer individuell und in unserer Geschichte verwurzelt. Und wenn man das versteht, dann sind Missverständnisse geradezu erwartbar. 

Missverstehen ist normal.

Es ist eher erstaunlich, dass Menschen sich überhaupt verstehen.

 

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6. Aufgelöste Probleme

Jeder von uns kennt das. Wir schildern einem Freund eine Situation und das damit scheinbar verbundene Problem. Dieser äußert seine Sicht der Dinge. Wenn wir offen sind, kann passieren, dass wir sagen: "Achso, so habe ich das noch nicht betrachtet." Plötzlich hat sich das Problem aufgelöst, obwohl noch das gleiche passiert ist.

Es ist also eine Haltung den anderen Menschen gegenüber, die es uns erlaubt, alternative Sichtweisen zu entwickeln. Am besten funktioniert Problemauflösung, wenn ich keine Angst vor der Ungewissheit habe und die Haltung anderer achte.

7. Du hast es in Deiner Hand

Da nun viele Menschen in ihrer Geschichte nicht gelernt haben, dass sie sich um ihrer selbst Willen geliebt fühlen, entwickeln sie unbewusst Leitsätze wie:

  • So wie ich bin, bin ich nicht richtig.
  • So wie ich bin, reiche ich nicht.
  • Mich versteht sowieso keiner.
  • Anderen Menschen kann man nicht trauen.
  • Nähe ist bedrohlich
  • uvm.

Das sind die grundlegenden Gefühle, die in unterschiedlichen Situationen immer wieder erlebt werden. 

Doch sie gehen immer von uns selbst aus und werden gar nicht aktiv von anderen beeinflusst.

Sätze wie: Du machst mich ärgerlich, wütend, traurig oder gar glücklich, sind zwar sozial etabliert, aber sie sind Unsinn. Es ist nicht möglich jemand anderen traurig zu machen. Ob jemand wütend, ärgerlich oder genervt ist, hängt von der eigenen Befindlichkeit und der Geschichte des Hörers ab. Nicht vom Sender. Er*Sie kann etwas dazu beitragen und es auslösen, aber nicht erzeugen.

Wenn wir den Blick also auf uns selbst richten, dann können wir mehr verstehen und einigermaßen erfolgreich kommunizieren. Vor allem können wir dem Gegenüber dann mit mehr Respekt, vielleicht sogar Neugier, begegnen und brauchen nicht mehr darum zu kämpfen, wer Recht hat. Wir beide haben es jeweils in unserer eigenen Wirklichkeit.

So entsteht mehr Freiheit, auch in der Liebesbeziehung.

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