Konstruktivismus ist eine philosophische Denkrichtung. Zugleich ist es ein Begriff aus der Psychologie, Therapie und Beratung.

Er bedeutet: Wir erkennen nicht das Objekt selbst. Wir wissen nicht, was sich wirklich da draußen befindet und wie die Dinge an sich sind. Sondern wir konstruieren uns unsere Wahrheit, während wir ein Objekt wahrnehmen. Anders gesagt: Wir erschaffen uns unsere eigene Wirklichkeit, und wir geben jedem Ding unsere persönliche Bedeutung.

Ich sehe zum Beispiel eine schwarze Katze. Je nachdem, was ich glaube, was ich mag, wie ich bin, kann ich nun denken, mir wird bald großes Pech widerfahren. Oder ich glaube, dass diese Katze ein Symbol für Glück ist. Sie könnte mir egal sein. Ich könnte das Bedürfnis haben, sie zu streicheln. Oder Angst bekommen. Egal, was sie für mich darstellt, die Katze an sich bleibt die gleiche.

Einflussfaktoren sind Erfahrungen und Überzeugungen, Charakter und Präferenzen, Erziehung, oder auch medizinische Beeinträchtigungen und Hilfsmittel wie Brillen, Hörgeräte oder Medikamente. Doch auch, wenn ich mir viel Mühe gebe, etwas so zusehen, wie es ist – um die absolute Wahrheit zu erkennen, müsste ich alles über die Welt wissen. Das ist, nach unserem Kenntnisstand, nicht möglich.

 

Gibt es gemeinsame Konstrukte?

Zwar erfasst jeder die Welt auf seine*ihre Weise und konstruiert damit eine Wirklichkeit. Das heißt aber nicht, dass es 8 Milliarden Wahrheiten geben muss. Viel mehr haben wir uns, um das (Zusammen-)Leben zu vereinfachen, gemeinsame Konstrukte gebaut. Wir haben Systeme erschaffen, in deren Rahmen wir leben, wie Familie, Schule oder Staaten. Wir haben Gesetze geschrieben, den Dingen Namen gegeben, eine Grammatik festgelegt. Auch Religionen oder politische Denkweisen sind Konstrukte der Wirklichkeit, die von vielen Individuen geteilt werden.

 

Wo liegt nun das Problem beim Konstruktivismus?

Schwierig wird es immer dann, wenn jemand glaubt, die absolute Wahrheit zu kennen und diese anderen aufzwingt. Dann sind Demokratie und Religions- oder Meinungsfreiheit in Gefahr.

In kleineren Systemen kommt es ebenfalls zu Problemen. Wir haben uns auf unsere Meinung eingeschossen und es kommt zum scheinbar unlösbaren Streit.

Stellen wir uns vor, ich war mit meinem Partner verabredet. Doch er hat mich eiskalt sitzenlassen und stattdessen lieber an seinem Auto geschraubt. Er kam dann eine ganze Stunde zu spät, ohne anzurufen. Das muss heißen, sein Auto ist ihm wichtiger als ich.

Für die andere Seite war es aber so: Das Auto ist nicht angesprungen und um die späte Zeit an einem Sonntag gab es keine andere Möglichkeit, zur Verabredung zu kommen. Also habe ich mich extra beeilt und innerhalb nur einer Stunde das Auto selbst repariert. Ein Anruf hätte die Zeit nur verzögert. Ich wollte so schnell wie möglich da sein!

Bei einer Paartherapie und in der myndpaar App geht es unter anderem darum, genau solche Fallen aufzudecken, die uns der Konstruktivismus stellt.

 

Interessante Erkenntnisse aus dem Konstruktivismus

Durch das konstruktivistische Weltbild können wir einiges über uns selbst lernen. Zum Beispiel, dass wir uns nur Dinge vorstellen können, die wir bereits kennen und wahrnehmen und gedanklich verarbeiten können. Wir können uns zum Beispiel keine Farben vorstellen, die wir nicht sehen, und wir stellen uns Aliens fast automatisch humanoid vor.

Auch die selektive Wahrnehmung gehört zum Konstruktivismus. Dank ihr nehmen wir eine Sache nur bewusst wahr, weil wir uns damit beschäftigen. Wenn ich mit dem Gedanken spiele, Kinder zu bekommen, sehe ich plötzlich mehr Kinder und Schwangere. Obwohl genauso viele da sind wie vorher.

In unserer eigenen Wirklichkeit nehmen wir uns selbst außerdem anders wahr als andere Menschen. Wir sind zum Beispiel kritischer mit unserem eigenen Aussehen. Andererseits schieben wir falsches Verhalten bei anderen oft auf deren Charakter. Bei uns selbst ziehen wir eher die schlechten Umstände als Grund vor.

 

Eigene Realität und Beziehungen

In einem so empfindlichen und wichtigen System wie der romantischen Beziehung ist es besonders wichtig, sich seiner subjektiven Wahrnehmung bewusst zu werden. Wenn wir unsere Sicht einander mitteilen und die des anderen akzeptieren, stärkt sich das allgemeine Verständnis füreinander.

Die gute Nachricht ist, dass unsere Realität veränderbar ist. Wir können unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft immer neu interpretieren. Hast Du zum Beispiel ein schlechtes Gefühl, weil Dein*e Partner*in mehr Beziehungen hatte als Du? Gibt es Dir das Gefühl, die Person sei „abgenutzt“, „leicht zu haben“ oder bald wieder weg? Du kannst es auch so sehen, dass dieser Mensch schon viel Erfahrung hat und sich mit Beziehungen „auskennt“. Der*diejenige hat aus Fehlern bereits gelernt, sich ausgelebt und ist jetzt bereit für Stabilität.

 

Du möchtest Deine Beziehung wieder stärken? Kommt es bei Euch häufiger zu Streit und Du weißt nicht mehr weiter? Die myndpaar App kann Dir helfen. Probiere es doch gleich selbst aus!

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